2012-01-16

Wer profitierte von der Buchpreisbindung?

In der Schweiz stimmen wir im kommenden März über ein Gesetz ab, dass im Buchmarkt ein staatlich geschütztes, privates Monopol einführen soll (Bundesgesetz über die Buchpreisbindung BuPG). Als hehres Ziel wird der Schutz des »Kulturguts Buch« ins Felde geführt - aber wer profitiert wirklich?

Wie bereits beschrieben, profitierten in der Version des Gesetzes keinesfalls die 'kleinen' Buchhandlungen: Im Gegensatz zum Sammelrevers (Buchpreisbindung in der Deutschschweiz vor 2007) ist eine Marge für den Buchhändler nicht fixiert, der Wettbewerb spielt also einfach 'von der anderen Seite'. Als zweites Argument wird aufgeführt, dass mittels Gewinnen aus auflagenstarken Bestsellern ebenso wichtige aber (derzeit) schlechter verkäufliche Bücher quersubventioniert würden. Dies sei nötig, um bspw. neue Autoren aufzubauen und dem Verleger das Risiko eines neuen Autors erst zu ermöglichen. Diese Argumentation hinkt von zwei Seiten:

Erstens ist es mit wie ohne Buchpreisbindung der Verlag selbst, der den Deckungsbeitrag durch seinen eigenen Preis gegenüber der Buchhandlung definiert. Der Endkundenpreis hat damit erst einmal herzlich wenig zu tun. Der Verleger unterscheidet sich nicht von beliebigen anderen Produzenten oder - um in der Kultur zu bleiben - 'Musiklabels'. Alle müssen mit Risiko umgehen und die Einführung eines neuen Produkts, neuen Künstlers oder eben neuen Autors begleiten. Ob und inwiefern es den Verlag in seiner klassischen Form zukünftig überhaupt noch braucht, lasse ich mal aussen vor (vgl. Musiklabel).

Zweitens wird vorausgesetzt, dass der Verleger zusätzliche Einnahmen tatsächlich uneigennützig zur Kulturförderung verwendet. Wieso 'uneigennützig'? Was ist hier der Hintergrund? Wenn der Verlag in seiner Risikobeurteilung davon ausginge, dass sich der Aufbau z.B. eines neuen Autors lohnt, bräuchte er dafür keine spezielle Quersubvention. Wenn das Gesetz ihm nun einen höheren Erlös zuschanzt, kann er ihn auf drei Arten einsetzen:

  1. Er kann ihn in zusätzliche Risiken stecken, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht lohnen. Das wäre Kulturförderung.
  2. Er kann sein normales, unternehmerisches Risiko abdecken. Damit erhöht er de facto seinen eigenen Gewinn.
  3. Er kann den zusätzlichen Ertrag direkt als Gewinn entgegennehmen.

Gerne will ich daran glauben, dass kleine Schweizer Verlage derart uneigennützig handeln und altruistisch Versuche zugunsten der Kultur eingehen. Tatsächlich werden aber 80% der Bücher in die Schweiz importiert! Dass deutsche, französische, italienische oder gar angelsächsische Grossverlage sich uneigennützig verhalten... diese Annahme halte ich für 'gewagt'.

Von der Buchpreisbindung profitierten demnach insb. ausländische Grossverlage und die grossen Buchhändler. Ein Einfluss auf die Titelvielfalt erscheint - gegeben altruistische Schweizer - minimal; sicher wäre eine direkte Förderung besser geeignet und - da keine ausländischen Grossverlage subventioniert würden - billiger.

Diese kleine Betrachtung ist nur skizzenhaft, aber die weitaus tiefergehenden Untersuchungen im Verfahren vor WEKO, Bundesgericht und Bundesrat kommen zum selben Ergebnis: "[Es] lässt sich allerdings eine Kausalität zwischen Buchpreisbindung einerseits und Titelvielfalt [...] andererseits nicht feststellen."

5 comments:

  1. Apropos «Profitieren»: Ich bin erstaunt, dass Verlage und Buchhändler in einem einzigen Verband gemeinsam organisiert sind. Man könnte meinen, die tatsächlichen Interessen der beiden Gruppen müssten dafür viel zu unterschiedlich sein … :->

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  2. Als P.S.: Viele kleine Deutschschweizer Verlage befinden sich im Besitz grosser, meist ausländischer (sprich deutscher) Grossverlage.

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    1. Sorry, selbstverständlich meinte ich *unabhängige* Schweizer Kleinverlage und nicht Vasallen ;)

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  3. Dann frage ich mich warum Vertreter der Branche die ich persönlich kenne (Eigentümer eines kleinen Verlages und versch. BuchhändlerInnen (nicht von Thalia & Co) für die Buchpreisbindung eintreten?

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    1. Für den Verlag ist sie ja - mindestens kurzfristig - positiv. Aber Verlag ist nicht gleich Kulturgut Buch.
      Bei den kleinen Buchhändlern vermute ich, dass diese entweder von ebenfalls fixierten Einkaufspreisen oder einem 'gut-schweizerisch' kooperativen Verlag ausgehen. Aber das wäre nicht der Fall - für den so hochgelobten Bestseller wohl am wenigsten.

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