2012-01-13

Welches Kulturgut soll die Buchpreisbindung überhaupt schützen?

In der Schweiz stimmen wir im kommenden März über ein Gesetz ab, dass im Buchmarkt ein staatlich geschütztes, privates Monopol einführen soll (Bundesgesetz über die Buchpreisbindung BuPG). Als hehres Ziel wird der Schutz des »Kulturguts Buch« ins Felde geführt - aber was heisst das?

Das in Frage stehende Gesetz definiert das Buch klar (Art. 3):

Buch: jedes Verlagserzeugnis in gedruckter Form und jedes kombinierte Erzeugnis, bei dem das Verlagserzeugnis in gedruckter Form die Hauptsache bildet; nicht als Bücher gelten namentlich Zeitungen, Zeitschriften, Musiknoten und kartografische Erzeugnisse;

Demnach ist jedes Buch ein zu schützendes Kulturgut? Also auch alle Fachbücher, alle Bedienungsanleitungen und Handbücher (die ja vermehrt separat verkauft werden)?

Die von mir schon zitierte Studie der Universität Zürich zeigt, dass von den in der Schweiz gezählten Buchtiteln 2004 über 80% Fachbücher waren (Tab. 2)! Nur gut 17% waren 'Literatur'. Und doch werben die Befürworter mit den armen, noch unbekannten Nachwuchsautoren - in ebendieser Sparte!

Selbst wenn es eine Buchpreisbindung in der Sparte Literatur bräuchte, wieso soll der immens grössere Gesamtmarkt darunter fallen? Werden hier nicht Äpfel und Birnen verglichen?

In Deutschland entsprechen 17% auch ziemlich genau dem Anteil der Belletristik (Presseinformation boersenverein.de, Anh. 4), der aber für rund das doppelte an Umsatzanteil (34%) bei Taschenbüchern sogar von 70% verantwortlich ist (ders., Anh. 2).

Fachbücher und Literatur/Belletristik sind aber nicht das gleiche und IMHO auch nicht derselbe Markt. Während eBooks wie selbstverständlich als 'Konkurrenz' zum gedruckten Buch genannt werden, stehen Bücher auch in Konkurrenz zum Konsum anderer Medien. Fachbücher konkurrenzieren aber nicht nur einfach gegen andere Medien, sondern gegen evtl. bessere Substitute! Die Umsatzentwicklung in Deutschland stützt das (Presseinformation boersenverein.de, Anh. 2):

WarengruppeΔ 2007-2009 Prozentpunkte 
Belletristik+3.4Zugewinn in allen Editionsformen
Kinderbücher+0.3Zugewinn insb. Hörbücher
Reisen-1.6Verlust in allen Editionsformen
Ratgeber-1.7Verlust in allen Editionsformen
*wissenschaften-0.5Verlust in allen Editionsformen
Schule und Lernen+0.5 

Ins Auge fallen Reisen und Ratgeber - sogar meine Mutter informiert sich in diesen Bereichen inzwischen 'buchlos' - deren Verluste weiter steigen werden. Hingegen ist ein Gewinn bei Schul- und Lernbüchern hoffentlich auf einen verstärkten Einsatz in diesem Bereich zurückzuführen. Inwiefern bei wissenschaftlichen Büchern der 'garantierte' Absatz an Hochschulen und in Forschungsstätten eine Rolle spielt, wäre interessant zu untersuchen.

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